Zähneputzen vor Milch

Hier geht's um die Vermeidung von Schäden an Zähnen, das wichtigste Anliegen in der Kinderzahnmedizin!

Moderator: Fachmoderator

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kafu
Beiträge: 3
Registriert: 12. Oktober 2012, 18:44

Zähneputzen vor Milch

Beitrag von kafu »

Hallo

unsere 15 Monate alte Tochter hat sich leider an folgendes Ritual vor dem Schlafen gewöhnt:
- Zähneputzen
- Windeln wechseln
- Schoppen trinken
- zu Bett gehen

Was mich wundernehmen würde: wie stark kariesfördernd sind die Milchschoppen (Pulver)? Auch in der Nacht will sie meistens noch einen. Am Abend könnten wir sie sicher irgendwann umgewöhnen, aber in der Nacht ist dies momentan schwierig. Aktuell hat Sie 7 Zähne und putzt einmal durch den Tag selber (kaut auf Zahnbürste mit Zahnpasta) und am Abend putzen dann wir.

Wann wäre das Zähneputzen optimal und wie lange sollte man die Zähnchen beim Kleinkind reinigen?

Herzlichen Dank für die Antwort und Grüsse
Kathrin
cornelia
Beiträge: 27
Registriert: 10. November 2011, 20:58

Re: Zähneputzen vor Milch

Beitrag von cornelia »

Hallo Kathrin,

um es gleich vorweg zu nehmen: auch die Milchschoppen mit Fertigprodukten haben einen sehr hohen Zuckergehalt. Wir haben uns in der Schulzahnklinik Basel einmal die Mühe gemacht und gängige Fertigprodukte untersucht. Eine Mahlzeit enthält im Durchschnitt 7 Stück Würfelzucker! In der Nacht sinkt die Speichelproduktion. Alleine dadurch ist das Kariesrisiko höher als am Tag. Je nach Zahl der Keime (Leitkeim SM), die bereits übertragen wurden (meist durch die Mutter) geht der Zersetzungsprozess entsprechend schneller oder langsamer. Es gibt nur wenige Kinder bei denen keine SM nachweisbar sind. Daher hat auch Deine Tochter ein Kariesrisiko durch den Verbleib der Kohlenhydrate nach dem Trinken aus dem Schoppen.

Jetzt zum Schoppen: bei dem genannten Prozedere besteht die Gefahr, dass das Kind immer nur mit Schoppen einschlafen kann. Das kann auch zum Muster in der Nacht werden. Damit wird der Nachtschlaf gestört. Besser ist es das Kind lernt ohne Hilfsmittel einzuschlafen. Eventuell mit Schnuller, den man dann nach dem Einschlafen rauszieht. Er birgt aber das gleiche Risiko. Wenn das Einschlafen ohne Hilfsmittel gelingt sind die Kinder in der Lage auch in Nacht wieder einzuschlafen, wenn sie durch den Schlafrhythmus bedingt in einen oberflächlichen Schlaf kommen und dabei wach werden. Die Mühe der Umstellung lohnt sich also.

Ich würde folgende Reihenfolge empfehlen:

1. Schoppen: jedoch auch jetzt schon bei jeder Gelegenheit aus dem Becher trinken lernen. Wenn das Trinken aus dem Becher gut geht, den Schoppen einstellen und auf Trinklernhilfen verzichten (viele Gründe, führt jetzt zu weit)

2. Wickeln: das Kind wird wieder ein bischen wacher

3. Zähne putzen: eventuell sogar auf dem Wickeltisch: man hat eine sehr gute Sicht und das Kind ist in einer stabilen Position. Das Zähneputzen kann auch jetzt schon 3x täglich nach den Hauptmahlzeiten statt finden. Es muss ja nicht jedes Mal Zahncreme verwendet werden. Ich würde jetzt 2x täglich einen "Smear" Zahncreme benutzen oder 1x täglich eine erbsengrosse Menge.

4. zu Bett gehen

Damit werde ich wahrscheinlich eine grosse Diskussion auslösen. Dem stelle ich mich aber gerne.

Viel Erfolg bei der Umsetzung und beste Zahngesundheit für das Kind

wünscht

Cornelia
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langerwegerc
Administrator
Beiträge: 371
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Wohnort: Winterthur / Schweiz

Re: Zähneputzen vor Milch

Beitrag von langerwegerc »

Liebe Kathrin

Den ausführlichen Empfehlungen von Cornelia ist nicht mehr viel hinzuzufügen. Und hoffentlich entstehen Diskussionen im Forum, dazu ist es ja da… ;)

Auch wir empfehlen ein «Zahnputz-Ritual», denn so gewöhnen sich die Kinder dran, dass das Zähneputzen jeden Abend wieder kommt und es dazu keine Ausnahme gibt.
Wichtig ist, die Zähne gut mechanisch mit der Bürste zu reinigen. Dabei kommt es weniger auf die Zeit an, denn mehr, dass die Zähne überall und gründlich geputzt werden. Meist geht das wohl recht gut, und wenn's halt mal weniger gut geht, dann einfach ein zweites Mal am Tag «halbgründlich» reinigen.

Aber Karies entsteht erst im Zusammenwirken verschiedener Faktoren und daher ist nicht nur die Mundhygiene wichtig, sondern auch eine ausgewogene und gesunde Ernährung. Die ist im Übrigen nebst den Zähnen auch der Gesundheit ganz allgemein zuträglich.


Ich lade hier gerne die Broschüre hoch, die wir hier in Zürich den Eltern von Kleinkindern abgeben und in der das Wesentlichste mit Tipps und Tricks kurz beschrieben ist. Ebenfalls hänge ich ein Merkblatt und die schon legendären «Gesunden Milchzähne» an.
(Quelle: http://www.stadt-zuerich.ch/content/ssd/de/index/gesundheit_und_praevention/schulzahnarzt/praevention.html)


SG_Broschuere_Zahnarzt.pdf
So bleiben Milchzähne gesund – von Anfang an
(810.93 KiB) 1026-mal heruntergeladen
Gesunde_Zaehne_sind_kein_Zufall.pdf
Gesunde Zähne sind kein Zufall
(739.38 KiB) 756-mal heruntergeladen
Gesunde_Milchzaehne.pdf
Gesunde Milchzähne – der Klassiker
(240.08 KiB) 930-mal heruntergeladen

Gruss

Christoph
Christoph Langerweger
kafu
Beiträge: 3
Registriert: 12. Oktober 2012, 18:44

Re: Zähneputzen vor Milch

Beitrag von kafu »

Liebe Cornelia, lieber Christoph

Herzlichen Dank für eure ausführlichen Antworten. Sie bestätigen unsere Vermutungen. Da unsere Tochter erst seit etwa 2 Wochen begonnen hat, ab und zu durchzuschlafen, haben wir Hemmungen, momentan in der Nacht radikal etwas zu verändern. Deshalb würden wir gerne noch wissen, wie es denn mit dem Zuckergehalt von Vollmilch aussieht. Ist die gleich schlimm wie Fertigprodukte oder können wir sie mit etwas besserem Gewissen in der Nacht verabreichen, wenn unsere Tochter nicht durchschläft? Wir sind uns bewusst, dass auch dieser Schoppen irgendwann weg muss, wenn sie nicht von alleine durchschläft, möchten aber zuerst das Abendritual und erst in einem zweiten Schritt das "Nachtritual" verändern.

Herzlichen Dank für eure Bemühungen und liebe Grüsse, Kathrin
cornelia
Beiträge: 27
Registriert: 10. November 2011, 20:58

Re: Zähneputzen vor Milch

Beitrag von cornelia »

Liebe Kathrin,

der Zuckergehalt ist nicht abhängig von dem Fettgehalt. Vollmilch enthält genauso viel Zucker wie fettreduzierte Milch. Abhängig ist der Zuckergehalt von der Herkunft. Muttermilch enthält pro 100 ml 7,2 g, Kuhmilch 100 ml/ 4,9 g; Schaf 100 ml/ 6,5 g, Ziege 100 ml/ 4g, Pferd 100 ml/ 6 g. Bei einer Milchmahlzeit sollen in diesem Alter höchstens 230 ml gegeben werden. Also gehe ich mal von einem Kuhmilchschoppen aus, der dann ca 3 Stück Würfelzucker enthält. Was ihr mal probieren könnt wäre folgendes Vorgehen: ihr nehmt nur die Hälfte der Milch und verdünnt sie zur Hälfte mit Wasser. Das ist eine Musterunterbrechung. Das Ritual ist noch das Gleiche aber der Geschmack hat sich verändert. Sie trinkt es in der Nacht in diesem Alter ja nicht mehr weil sie hungrig ist (wenn das der Fall ist müsst ihr am Tag mehr Breikost geben), sondern weil die Milch zum Einschlafen gehört. Wenn es ihr aber nicht schmeckt wird sie es auch nicht mehr wollen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass diese Methode funktioniert.

Viel Erfolg

Cornelia
kafu
Beiträge: 3
Registriert: 12. Oktober 2012, 18:44

Re: Zähneputzen vor Milch

Beitrag von kafu »

Liebe Cornelia

Seit einigen Tagen haben wir das Abend-Einschlaf-Ritual erfolgreich umgestellt, sodass der Schoppen nun vor dem Zähneputzen kommt. In der Nacht erhält unsere Tochter nun verdünnte Kuhmilch. Diese scheint sie zu mögen, der Schoppen ist jeweils schnell leer getrunken. Sie isst tagsüber viel, ist aber auch extrem aktiv und hat dadurch wahrscheinlich in der Nacht effektiv auch ein wenig Hunger. Wir werden wohl trotzdem versuchen, den Kuhmilchschoppen zunehmend mehr zu verdünnen.

Danke nochmals für eure Hilfe und Tipps
Kathrin
cornelia
Beiträge: 27
Registriert: 10. November 2011, 20:58

Re: Zähneputzen vor Milch

Beitrag von cornelia »

Liebe Kathrin,

vielen Dank für die Rückmeldung. Glückwunsch zum Umstellen des Abendrituals!
Dass der verdünnte Schoppen in der Nacht schmeckt spricht schon dafür, dass sie
hungrig oder durstig ist. Wenn ihr aber den Eindruck habt, jetzt wird es Zeit, dass
sie durchschläft und ihr den Eindruck habt, sie hat genug gegessen und getrunken
habe ich noch einen Abschluss - Tipp: statt der Schoppenflasche gebt einen Becher
mit Wasser. Das sollte ganz liebevoll aber konsequent kommuniziert werden:
"Du hast Durst? Hier habe ich Wasser für dich!" Erfahrungsgemäss wird es anfänglich
Protest geben. Vorsicht: wenn man sich diese Methode ausgesucht hat muss man
sich auf eine Woche einstellen, in der man in den Nächten diese Auseinandersetzung
führt. Kein Rückfall zum Schoppen! Danach ist das Thema abgeschlossen und das
Kind verlangt nicht mehr nach etwas zu Trinken in der Nacht.

Allerdings muss man wirklich berücksichtigen, dass Kinder in diesem Alter noch keine
Reserven bilden. Das bedeutet, dass Euere Tochter vielleicht noch ein paar Monate tatsächlich
in der Nacht ein Hungergefühl hat, dass sie nicht unterdrücken kann und sich Energie holt, die
sie am Tag nicht bekommt. Die Methode, sich auszuschleichen
ist bei der Umstellung nachts auf Energiezufuhr zu verzichten und auf den Tag zu verschieben
sehr bewährt. Euere Tochter wird nicht verhungern, wenn sie in der Nacht weniger Energie
zu sich nimmt. Vielmehr wird sie es am Tag kompensieren, in dem sie mehr isst. Damit habt
ihr es dann geschafft, dass sie tatsächlich die körperlichen Bedürfnisse befriedigt hat und
es eine Umstellung der Gewohnheiten geben kann. Erst dann, wenn die Schoppenflasche in
der Nacht nicht mehr nötig ist und das Kind dieses lieb gewonnene Ritual der Flasche
nicht aufgeben möchte kann man die Becher-statt-Schoppen-Methode anwenden.

Herzliche Grüsse

Cornelia
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